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Freitagsgedanken: Fürsorgeterror

DrWindows

Redaktion
Freitagsgedanken: Fürsorgeterror
Fürsorgeterror


Jeder kennt sie. Die Menschen, die es immer gut meinen. Sie sind stets hilfsbereit, schlagen niemals einen Gefallen aus, sind rund um die Uhr fürsorglich für uns da. Und zwar so sehr, dass sie uns auch dann etwas Gutes tun wollen, wenn wir gar nicht darum gebeten haben. Sie sind die nettesten und empathischsten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen kann. Alles, was sie wollen, ist uns glücklich zu sehen, und das tun sie mit einem solchen Ehrgeiz, dass wir sie dafür manchmal umbringen möchten.

Ich bin ziemlich sicher, jeder von euch hat beim Lesen des ersten Absatzes mindestens ein Gesicht aus seiner Familie oder seinem Freundeskreis vor Augen gehabt. Bleibt tapfer, ihr seid nicht allein. Auch ich kenne solche Menschen. Selbstverständlich werde ich aber niemanden aus meinem näheren Umfeld an dieser Stelle als Beispiel anführen, darum greife ich mir eines von etwas weiter weg: In einem unserer Lieblingslokale gibt es einen Kellner, der so aufmerksam und zuvorkommend ist, dass meine Frau und ich uns bei jedem Besuch zunächst ängstlich umsehen, ob er anwesend ist. Wenn ja, dann suchen wir einen Tisch, an dem wir möglichst keine Gefahr laufen, von ihm bedient zu werden. Der arme Kerl will einfach nur sein Allerbestes geben, aber er geht uns damit nun mal unendlich auf den Zeiger.

Für solches Verhalten gibt es einen Namen, der meiner Meinung nach nicht treffender sein könnte: Fürsorgeterror. Etwas, das eigentlich gut für uns sein sollte, verkehrt sich durch Übertreibung ins extreme Gegenteil und treibt uns beinahe in den Wahnsinn.

Und was hat das Thema jetzt hier zu suchen?

Ein Blick auf die Artikelgrafik lässt es vielleicht erahnen. Fürsorgeterror ist nicht nur ein zwischenmenschliches Phänomen, er begegnet mir in zunehmendem Maße auch bei der Nutzung meines Computers, und er hat inzwischen das für mich erträgliche Maß weit überschritten.

Karl Klammer, besser bekannt als Clippy, war womöglich nicht der erste digitale Fürsorgeterrorist, aber sicherlich einer der Bekanntesten. Was wir oben sehen, ist die Mutter aller Tooltipps, die berühmten „Balloon Tips“ von Windows XP. Ich habe sie so oft deaktiviert, dass ich den Registry-Pfad noch heute auswendig weiß.

Solche Tooltipps begegnen uns heute nicht nur in Windows, sondern auch in unzähligen Programmen. Bevor man mit einem neu installierten Programm zum ersten Mal arbeiten darf, muss man zuerst zahllose aufpoppende Banner wegklicken, die uns auf nützliche Funktionen hinweisen, die Feature-Tour ablehnen und die Aufforderung zur Registrierung ignorieren. Haben wir es dann endlich geschafft, werden wir auch während der Arbeit immer mal wieder von gutgemeinten Hinweisen unterbrochen. Es ist zum Verzweifeln.

Die mittlerweile verpflichtenden Cookie-Hinweise auf Webseiten sind ebenfalls ein schönes Beispiel für Fürsorgeterror. Die DSGVO meint es so derart gut mir uns, dass wir den Datenschutz manchmal zum Teufel wünschen.

Die Tatsache, dass es mein Computer so unverschämt gut mit mir meint, lässt mich immerhin emotional agil bleiben. Manchmal möchte ich „Halt deine gottverdammte Drecksfresse!“ schreien, manchmal wimmere ich leise weinend „bitte, ich will doch nur arbeiten“. Zwischen beiden Zuständen können dabei auch durchaus mal weniger als 45 Sekunden liegen.

Ich weiß, dass es gut gemeint ist. Ich weiß auch, dass so manche Unterstützung, die mir auf den Sender geht, für andere wiederum wirklich nützlich ist. Technologie sollte so massentauglich wie nur irgend möglich gemacht werden, und ich bin gerne bereit, dafür ein wenig Schmerz zu ertragen. Aber manchmal frage ich mich schon, ob wir bei dem Versuch, etwas „idiotensicher“ zu machen, am Ende einfach nur mehr Idioten generieren.

Du hast bis hierhin gelesen, zustimmend genickt und wartest jetzt auf meinen Lösungsansatz? Tut mir leid, ich habe keinen. Ich wollte nur ein bisschen jammern.

Schönes Wochenende!


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Artikel im Blog lesen
 
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Ich weiß, dass es gut gemeint ist.
Ich fürchte, das ist es in den allermeisten Fällen eben nicht. Und, genauso wie ein übertrieben fürsorglicher Mensch es oft zum puren Eigennutzen, nämlich um sich selbst gut zu fühlen tut (ist eine bekannte Geschichte, vor allem bei Leuten, die in entsprechenden Berufen arbeiten, Pflegekräfte etc.), meinen es die allermeisten Firmen auch nicht "gut". Es ist einfach eine Sache, die heutzutage sein muss, weil wir es einfach so erwarten. Ich sage "wir" obwohl ich mich eigentlich gar nicht miteinschließe, denn, ich sehe mich da in vielen Situationen wie von dir beschrieben. "Halt deine gottverdammte Drecksfresse!". Jup. So hart das klingt, das geht mir mitunter auch durch den Kopf, wenn ich diese ewige Fürsorge, die eigentlich nichts anderes ist als ständige Bevormundung, in der IT so beobachte. ;)

Das geilste Beispiel, weshalb ich auch schon des Öfteren Familienmitglieder hab schimpfen hören: Die automatische Senkung der Lautstärke, wenn man längere Zeit mit moderate Lautstärke über Kopfhörer auf seinem Android-Smartphone Musik hört. Hach, was ist das alles lieb und fürsorglich. Da fühlt man sich doch gleich richtig schön... wie ein Kleinkind, das von seiner Mutter an die Hand genommen wird, weil es nicht weiß, wie man beim Toilette gehen abwischt. ;)

Schöne neue Welt.

Das beschreibt übrigens auch wunderbar die Situation mit den ewigen Gefahren im Netz, und die Empfehlung, seinen Computer am besten mit Brettern zu vernageln, und jede Sicherheitssoftware der Welt zu installieren. Die liebe Mutter, die über uns allen wacht, und die uns ständig vor den vielen Gefahren da draußen warnt, weil sie es doch so gut mit uns meint. Da reiben sich die Journalisten, und die Sicherheitssoftwareindustrie schön die Hand, was sie da für einen Reibach machen können.

Die Sache, die momentan (und seit fast 2 Jahren) 99% der Zeitungsinhalte füllt, spreche ich mal lieber nicht an.
 
Die mittlerweile verpflichtenden Cookie-Hinweise auf Webseiten sind ebenfalls ein schönes Beispiel für Fürsorgeterror. Die DSGVO meint es so derart gut mir uns, dass wir den Datenschutz manchmal zum Teufel wünschen.
Dieser Cookie Terror ist echt ätzend, ich habe sogar schon einmal nach einem Browser Addon gesucht, das das klicken auf Akzeptieren automatisiert, leider noch nicht fündig geworden...
 
Die meisten Benachrichtigungen habe ich deshalb abgeschaltet, nur wichtige die ich unbedingt brauche, kommen durch, und das sind gerade 3 Bereiche, Familie, Freunde und Team, alles andere kommt über Mail die ich 1-2 mal am Tag sichte
 
Die mittlerweile verpflichtenden Cookie-Hinweise auf Webseiten sind ebenfalls ein schönes Beispiel für Fürsorgeterror. Die DSGVO meint es so derart gut mir uns, dass wir den Datenschutz manchmal zum Teufel wünschen.
Die Kreativität in der Aus/Gestaltung dieser Hinweise ist atemberaubend bzw nervtötend. Da es nicht den geringsten Hinweis/Vorschrift gibt bzw so schwammig ist, wie diese auszusehen haben, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Jede neue Seite verspricht ein munteres Rätselraten.
 
Mir tun die Webseitenbetreiber leid. Meines Wissens muss man heutzutage einen Anwalt beauftragen, diese Hinweise aufzusetzen, damit es rechtssicher ist. D.h., dass selbst für winzigste Seiten bereits tausende Euro dafür fällig werden, was das Betreiben solcher Webseiten einfach nicht mehr rentabel macht.

Das, was die Datenschützer da "für uns" tun, ist absolut kontraproduktiv. Mehr noch: Es macht eigentlich nur einen reich: Die Anwälte, die sich mit solchen Dingen vor Gericht befassen, und dann die rechtlichen Dinge für die Webseitenbetreiber händeln. (Und das wird auch der Grund für die allermeisten Dinge sein, die da so laufen. Als Jurist kann man da halt richtig absahnen.) Und wofür? Dafür, dass uns der ganze Mist so auf die Nerven geht, dass wir es sowieso nach 1 Sekunde wegklicken.

Wie gesagt, schöne neue Welt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ja, das nervt.
Es gibt dafür aber einen Grund: In "EN ISO 9241, Teil 110 Ergonomie der Mensch-Maschine-Interaktion" ist eines der für die Usability definierten Kriterien die "Lernförderlichkeit". Das Problem ist dann aber, dass die immer aus Anbieter-/Programmierersicht umgesetzt wird, statt aus Nutzersicht. Und leider wird dabei fast immer ein weiteres Usability-Kriterium ignoriert, die Individualisierbarkeit. Will heißen: diese Hilfestellungen sollten einfach mit einem Klick deaktivierbar sein und gut ist (kein Registry-Hack, und nach dem nächsten Update geht der Spass vor vorne los).
 
Das Bild in deinem Artikel ist dabei vollkommen daneben! Wenn mein Computer durch Schadsoftware bedroht ist, weil der eigene Computerschutz deaktiviert ist, dann möchte ich das wissen, genau wie es in einem PKW entsprechende Warnleuchten gibt. Wer sowas ignoriert oder abschaltet hat am Ende keine Hilfe verdient!

Was den armen Kellner angeht:
Martin, ein jeder Mensch ist so gestrickt, dass er in jeder Situation immer Dinge zum meckern findet wird. Das ist ein psychologischer Effekt und dient der eigenen psychologischen Stabilität.
Selbst in einer idealen Welt würden wir immer Dinge zum meckern finden, weil das wichtig für unsere psychische "Hygiene" ist. Deshalb fokussiere dich nicht auf den armen Kellner, sondern genieße einfach dort den Abend!

Viele Probleme kann man lösen, indem man miteinander und nicht übereinander spricht! Denke beim nächsten mal daran. Nur wenn der arme Kellner ausdrücklich deine Erwartungen kennt, nur dann wird er darauf reagieren können. Er kann schließlich nicht deine Gedanken lesen...
 
Dieser Cookie Terror ist echt ätzend, ich habe sogar schon einmal nach einem Browser Addon gesucht, das das klicken auf Akzeptieren automatisiert, leider noch nicht fündig geworden...
Es gibt ein Addon mit dem Namen I dont care about cookies für Firefox und Chrome. Hab das seit Monaten auf meinem Laptop in Firefox und hab seit dem nicht einen Cookie Hinweis mehr gesehen.
 
Ich bin eher der Depp der zu allem ja und amen sagt, aber extra aufdrängen tu ich mich net, soweit kommts noch^^
 
Mir tun die Webseitenbetreiber leid.
Wenn man eine Webseite baut, die keine personenbezogenen Daten speichert, verarbeitet oder weitergibt braucht man die Hinweise nicht.
Das, was die Datenschützer da "für uns" tun, ist absolut kontraproduktiv
Jein. Manches ist sicherlich absurd und hinderlich. Gut finde ich z.B. das Recht alle gespeicherten Daten anfordern zu können.
 
Wenn man eine Webseite baut, die keine personenbezogenen Daten speichert, verarbeitet oder weitergibt braucht man die Hinweise nicht.
Ja, bloß, dass das schon so Banalitäten wie das Laden von Google-Schriftarten betrifft. Und für all diese Fälle brauchst du dann eine an die Inhalte der Seite angepasste Einwilligung.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ja, bloß, dass das schon so Banalitäten wie das Laden von Google-Schriftarten betrifft. Und für all diese Fälle brauchst du dann eine an die Inhalte der Seite angepasste Einwilligung.
Das sind keine Cookies und dafür benötigt man m.W. keine Einwilligung, sondern nur einen Hinweis in der Datenschutzerklärung.

Die mittlerweile verpflichtenden Cookie-Hinweise auf Webseiten sind ebenfalls ein schönes Beispiel für Fürsorgeterror. Die DSGVO meint es so derart gut mir uns, dass wir den Datenschutz manchmal zum Teufel wünschen.
Dafür soll man aber die EU nicht schelten - deren Idee war nur eine (1!) Einstellung im Browser, an die sich dann die Websites verpflichten halten müssen. Das heute "automatische" Bestätigen sollte damit vermieden werden - leider kam es anders, weil Datenschützer in einigen EU-Ländern die Anforderungen erweitert haben und die Werbenetze weiter ihre Cookies setzen wollen (Ermüdungstaktik).
 
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