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Redaktion
Audacity: Ein Drama in drei Akten
Es ist ja normalerweise eigentlich nicht unser Schwerpunkt, aber es lohnt sich, einmal auf die jüngsten Entwicklungen hinter dem Audioeditor Audacity zu blicken, denn hier spielen sich seit einiger Zeit wirklich unschöne Dinge ab. Seit gut zwei Monaten ist Audacity bekanntlich nicht mehr unabhängig, sondern wurde von der Muse Group, dem Unternehmen hinter dem Notensatzprogramm MuseScore, übernommen.
Während die Muse Group die Übernahme auch mit einem entsprechenden Video feierte und mit Audacity 3.0.3 auch eine erste Version, die das Programm unter Windows unter anderem auch zu einer 64-bit-Anwendung machen wird, kurz vor der Veröffentlichung steht, haben die neuen Verantwortlichen ansonsten so ziemlich alles dafür getan, um sich den Zorn der OpenSource-Community zu sichern.
Akt 1: Einführung von Basistelemetrie
Das erste Fettnäpfchen steuerten die Entwickler bereits zielsicher im April an, als ein entsprechender Pull Request auf GitHub entdeckt wurde, der sich mit der Einführung von grundlegender Telemetrie in Audacity befasste. Nun reagiert die FOSS-Community auf sowas grundsätzlich sehr sensibel und die Aufregung wurde umso heftiger, als die neuen Verantwortlichen eben keine selbstgehostete Lösung verwenden wollten. Stattdessen sollte neben Google Analytics auch Yandex Metrica zum Einsatz kommen. Reflexartig erblickte so auch ein erster Fork von Audacity das Licht der Welt.
Zwischenzeitlich ruderte die Muse Group mit ihrem Vorhaben wieder zurück. Audacity soll stattdessen mit der jetzt anstehenden Version 3.0.3 eine integrierte Benachrichtigungsfunktion für Updates bekommen und außerdem mit Verbesserungen für Bugreports ausgestattet werden. Die Wogen in der Community wurden vorerst geglättet.
Akt 2: Neues Lizenzmodell, CLA und Clouddienste
Ende Mai kam es dann zum nächsten Aufschrei, als die neuen Eigentümer gleich drei neue Pläne öffentlich machten. So soll die Lizenz, unter der Audacity steht, von GPLv2 und neuer auf GPLv3 geändert werden, was nach Aussage der Verantwortlichen in Zukunft auch Mehrfachlizenzierungen vereinfachen soll. Vor allem wurde aber ein neues CLA (Contributor License Agreement) kontrovers diskutiert, was Beitragende für die weitere Mitarbeit zwingend unterzeichnen müssen. Mit dem neuen CLA treten die Beitragenden zudem auch wesentliche Urheberrechte an die Muse Group ab.
Zusätzlich wollen die Verantwortlichen in Zukunft neue Clouddienste einführen, die separat vom Desktop-Programm betrieben werden und die Weiterentwicklung von Audacity finanzieren sollen. Nähere Informationen hierzu wurden aber noch nicht bekannt.
Akt 3: Datenschutzbestimmungen und andere Hintertüren
Der Grund, warum ich auch diesen Beitrag schreibe, sind nun ganz frische Entwicklungen, die heute bekannt geworden sind. Die Muse Group führt neue Datenschutzbestimmungen ein, die unter anderem auch gewisse Punkte, die bei der angekündigten Telemetrie noch abgewendet wurden, durch die Hintertür wieder legitimiert. Hierzu gehören das Sammeln von grundlegenden Telemetriedaten genauso wie das Teilen der gesammelten Daten mit den Niederlassungen in den USA und Russland, wobei diese in der Regel trotzdem im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben sollen. Auch eine Teilung mit Drittparteien, Beratern und potenziellen Käufern ist möglich.
Neben diesen Vorhaben kommt noch eine neue Altersbeschränkung hinzu, die aber gegen die geltende Lizenz von Audacity verstoßen dürfte. So darf das Programm von allen Nutzern, die jünger als 13 Jahre sind, nicht mehr eingesetzt werden.
Die Moral von der Geschichte
Dass es der Muse Group weniger um die Belange der FOSS-Community gehen dürfte, sollte eigentlich relativ klar sein. Vielmehr dürfte die Tatsache, dass Audacity auch bei YouTubern und Podcastern extrem beliebt ist, die eigentliche Zielgruppe ausmachen und diese soll finanziell herangezogen werden. Trotzdem ist es schade, dass das Thema (nach meinem Empfinden) in Deutschland etwas zu sehr unter dem Radar bleibt. Ich verfolge das Geschehen selbst durch YouTube und die hervorragende Dokumentation der Kollegen von Linuxnews schon eine ganze Weile und das hinterlässt bei mir auch kein gutes Gefühl.
Den Durchschnittsnutzer interessiert das Thema momentan sicherlich noch nicht, aber er wird spätestens dann, wenn die angekündigten Clouddienste kommen und in welcher Form auch immer mit Audacity verwoben werden, auch hiermit in Kontakt kommen. Schade ist vor allem, dass es zwar noch andere Konkurrenten wie Ocenaudio gibt, allerdings reichen diese oft nicht ansatzweise an den Funktionsumfang von Audacity heran. Es bleibt jedenfalls spannend, wie die Entwicklungen um eines der bekanntesten OpenSource-Projekte überhaupt weitergehen und ich kann allen nur empfehlen, die Sache auch selbst weiter zu verfolgen.
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Es ist ja normalerweise eigentlich nicht unser Schwerpunkt, aber es lohnt sich, einmal auf die jüngsten Entwicklungen hinter dem Audioeditor Audacity zu blicken, denn hier spielen sich seit einiger Zeit wirklich unschöne Dinge ab. Seit gut zwei Monaten ist Audacity bekanntlich nicht mehr unabhängig, sondern wurde von der Muse Group, dem Unternehmen hinter dem Notensatzprogramm MuseScore, übernommen.
Während die Muse Group die Übernahme auch mit einem entsprechenden Video feierte und mit Audacity 3.0.3 auch eine erste Version, die das Programm unter Windows unter anderem auch zu einer 64-bit-Anwendung machen wird, kurz vor der Veröffentlichung steht, haben die neuen Verantwortlichen ansonsten so ziemlich alles dafür getan, um sich den Zorn der OpenSource-Community zu sichern.
Akt 1: Einführung von Basistelemetrie
Das erste Fettnäpfchen steuerten die Entwickler bereits zielsicher im April an, als ein entsprechender Pull Request auf GitHub entdeckt wurde, der sich mit der Einführung von grundlegender Telemetrie in Audacity befasste. Nun reagiert die FOSS-Community auf sowas grundsätzlich sehr sensibel und die Aufregung wurde umso heftiger, als die neuen Verantwortlichen eben keine selbstgehostete Lösung verwenden wollten. Stattdessen sollte neben Google Analytics auch Yandex Metrica zum Einsatz kommen. Reflexartig erblickte so auch ein erster Fork von Audacity das Licht der Welt.
Zwischenzeitlich ruderte die Muse Group mit ihrem Vorhaben wieder zurück. Audacity soll stattdessen mit der jetzt anstehenden Version 3.0.3 eine integrierte Benachrichtigungsfunktion für Updates bekommen und außerdem mit Verbesserungen für Bugreports ausgestattet werden. Die Wogen in der Community wurden vorerst geglättet.
Akt 2: Neues Lizenzmodell, CLA und Clouddienste
Ende Mai kam es dann zum nächsten Aufschrei, als die neuen Eigentümer gleich drei neue Pläne öffentlich machten. So soll die Lizenz, unter der Audacity steht, von GPLv2 und neuer auf GPLv3 geändert werden, was nach Aussage der Verantwortlichen in Zukunft auch Mehrfachlizenzierungen vereinfachen soll. Vor allem wurde aber ein neues CLA (Contributor License Agreement) kontrovers diskutiert, was Beitragende für die weitere Mitarbeit zwingend unterzeichnen müssen. Mit dem neuen CLA treten die Beitragenden zudem auch wesentliche Urheberrechte an die Muse Group ab.
Zusätzlich wollen die Verantwortlichen in Zukunft neue Clouddienste einführen, die separat vom Desktop-Programm betrieben werden und die Weiterentwicklung von Audacity finanzieren sollen. Nähere Informationen hierzu wurden aber noch nicht bekannt.
Akt 3: Datenschutzbestimmungen und andere Hintertüren
Der Grund, warum ich auch diesen Beitrag schreibe, sind nun ganz frische Entwicklungen, die heute bekannt geworden sind. Die Muse Group führt neue Datenschutzbestimmungen ein, die unter anderem auch gewisse Punkte, die bei der angekündigten Telemetrie noch abgewendet wurden, durch die Hintertür wieder legitimiert. Hierzu gehören das Sammeln von grundlegenden Telemetriedaten genauso wie das Teilen der gesammelten Daten mit den Niederlassungen in den USA und Russland, wobei diese in der Regel trotzdem im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben sollen. Auch eine Teilung mit Drittparteien, Beratern und potenziellen Käufern ist möglich.
Neben diesen Vorhaben kommt noch eine neue Altersbeschränkung hinzu, die aber gegen die geltende Lizenz von Audacity verstoßen dürfte. So darf das Programm von allen Nutzern, die jünger als 13 Jahre sind, nicht mehr eingesetzt werden.
Die Moral von der Geschichte
Dass es der Muse Group weniger um die Belange der FOSS-Community gehen dürfte, sollte eigentlich relativ klar sein. Vielmehr dürfte die Tatsache, dass Audacity auch bei YouTubern und Podcastern extrem beliebt ist, die eigentliche Zielgruppe ausmachen und diese soll finanziell herangezogen werden. Trotzdem ist es schade, dass das Thema (nach meinem Empfinden) in Deutschland etwas zu sehr unter dem Radar bleibt. Ich verfolge das Geschehen selbst durch YouTube und die hervorragende Dokumentation der Kollegen von Linuxnews schon eine ganze Weile und das hinterlässt bei mir auch kein gutes Gefühl.
Den Durchschnittsnutzer interessiert das Thema momentan sicherlich noch nicht, aber er wird spätestens dann, wenn die angekündigten Clouddienste kommen und in welcher Form auch immer mit Audacity verwoben werden, auch hiermit in Kontakt kommen. Schade ist vor allem, dass es zwar noch andere Konkurrenten wie Ocenaudio gibt, allerdings reichen diese oft nicht ansatzweise an den Funktionsumfang von Audacity heran. Es bleibt jedenfalls spannend, wie die Entwicklungen um eines der bekanntesten OpenSource-Projekte überhaupt weitergehen und ich kann allen nur empfehlen, die Sache auch selbst weiter zu verfolgen.
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