... Jede dieser drei Katastrophen allein hätte andere Länder vielleicht überfordert. Panik hätte vermutlich regiert, es hätte Plünderungen gegeben. Doch in Japan ist davon keine Spur. Auch Tokio ist ruhig, geradezu gespenstisch ruhig an diesem Sonntag. Nachdem die Menschen Lebensmittel und Batterien gehortet haben, setzen sie sich vor den Fernseher und zittern still mit. Die größte Angst flößen den Japanern dabei meinen Gesprächspartnern zufolge die überhitzten Atommeiler ein.
Das Erdbeben ist tragisch, so der Tenor. Aber erstens trainieren die Japaner von klein auf, wie man sich zu verhalten hat: Schutz suchen und – wenn man überlebt hat – zum Katastrophenzentrum der Ortschaft gehen. Routine schaltet die Panik aus. Zweitens wissen sie aus ihrer Erfahrung, dass die Erdbebenregionen bisher noch immer wieder aufgebaut wurden. Das Leben geht also weiter.
Aber die Atomgefahr ist nicht nur neu, sie ist auch unsichtbar und vor allem fast nie trainiert worden. Die letzten Übungen zur Bekämpfung atomarer Krisen fanden in den Hochzeiten des Kalten Kriegs statt. Es gibt keine Routine, ergo lähmt die Angst die Menschen stärker als die Aussicht auf erneute Megabeben.
Die Regierung und die führenden Medien wissen das anscheinend instinktiv. Statt über den größten anzunehmenden Unfall zu informieren, besteht die Regierung zunächst darauf, dass es keine Kernschmelze gegeben habe. "Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen", wiegelt ein Experte im Außenministerium ab. Man sei noch weit von einem Tschernobyl-Szenario entfernt.
Und die Medien halten sich auch mit der Ausmalung von Schreckensszenarien zurück – noch wenigstens.
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Fast vermute ich hinter der Informationskontrolle System: das System Frosch. Wenn man einen Frosch ins kalte Wasser setzt und das Wasser langsam erhitzt, lässt er sich zu Tode kochen. Und übersetzt auf das Katastrophen-Triple heißt das: Weil die Gefahr im Bewusstsein der Menschen so neu ist und die Menschen sehr nervös sind, scheinen die Planer ihre Bürger lieber langsam mit schlechten Nachrichten füttern zu wollen, damit sie besser verdaut werden können.
Die Medien haben dann Zeit, die Menschen schrittweise zu Gegenmaßnahmen zu erziehen und so vielleicht auch bei einem GAU eine Massenpanik zu vermeiden. Die Medien sind hier im Erklären und Erziehen sehr geübt. Und dazu kann die Regierung hoffen, inzwischen die Meiler unter Kontrolle zu bringen.