Am Puls von Microsoft

Kann man mit einem Smartphone-Betriebssystem Erfolg haben?

Ein Kommentar von DrWindows-Webmaster Martin Geuß
Wer hat beim Lesen der Überschrift innerlich gelacht und gedacht: „Hallo? Schon mal was von Android gehört? Oder von den Handys mit dem angebissenen Apfel drauf?“ Ja, natürlich, und ich kenne auch die Antwort auf die Frage: Ja, das geht. Und zwar richtig gut.
Frage beantwortet, Thema beendet…oder auch nicht. Denn ich möchte das mal aus einer anderen Sicht betrachten. Und zwar aus der des Kunden – schließlich soll der die Geräte ja kaufen.

Wie die Software heißt, ist egal
Meine Behauptung: Den Käufer interessiert es nicht die Bohne, welches Betriebssystem auf seinem Smartphone werkelt. Er kauft nämlich in erster Linie ein Gerät.

Wer einen neuen PC kauft, der weiß in der Regel, dass auf diesem Windows läuft. Und wer sich für einen Mac entscheidet, der tut das bewusst – nicht selten steht sogar die explizite Entscheidung gegen Windows dahinter. Fertig-PCs mit Linux kommen in der Praxis so gut wie nicht vor, sie seien aber der Vollständigkeit wegen dennoch erwähnt. Und wer diese kauft, der weiß genau, was er tut. Oder er weiß zwei Wochen später, was er besser nicht getan hätte.

Aber Schluss mit den Unsachlichkeiten- worauf ich hinaus will: Vor der Entscheidung für eine bestimmte Marke oder ein bestimmtes Gerät steht die Entscheidung für das Betriebssystem. Und genau das ist der entscheidende Unterschied zwischen dem klassischen PC-Sektor und den mobilen Endgeräten, allen voran die Smartphones. Denn hier steht die Hardware absolut im Vordergrund.

Wer Smartphone-Kunden gewinnen möchte, der muss ein tolles Gerät heraus bringen. Wer mit dem Betriebssystem wirbt, erntet nur müdes Gähnen.
Wer mir nicht glaubt, der gehe einfach mal auf die Straße und frage zehn Besitzer eines iPhone, ob sie auf ihrem Handy iOS oder Android haben. Ich wette, in mindestens acht von zehn Fällen wird die Antort lauten: „Weder noch, ich hab ein iPhone“.
Nein, damit will ich den iPhone-Besitzern gewiss nicht mangelnde Intelligenz unterstellen – das funktioniert mit Android genauso. Neulich rief mich eine Bekannte an und wollte wissen, ob ich ihr denn mit ihrem Handy helfen könne? Ich fragte, ob sie ein Android-Smartphone hat, und sie antwortete: „Nein, ich hab das Samsung Galaxy SII“. So viel dazu.

Kommen wir mal zum Thema
Erwähnte ich eigentlich schon, dass es in diesem Artikel um Windows Phone geht?
Ich bitte um Entschuldigung, aber dieses lange Vorgeplänkel war leider nötig, um die Zwickmühle darzustellen, in der sich Microsoft mit Windows Phone befindet. Es liefert eigentlich nur die Software – also den Teil, für den sich die Kundschaft zumindest nicht namentlich interessiert – möchte damit aber dennoch im Vordergrund stehen – und genau das funktioniert nicht.

Apple hat das Problem auf die eleganteste Weise gelöst – sie bauen das iPhone selbst und schneidern ihm das iOS-Betriebssystem auf den Leib. Kein Streit mit OEMs über Hardwarespezifikationen, das Design oder die Oberfläche – es streiten sich höchstens zwei verschiedene Entwicklungsabteilungen, aber davon bekommt die Öffentlichkeit nichts mit.

Das Google-Prinzip
Google geht genau den entgegengesetzten Weg: Es verschenkt Android an die Gerätehersteller, verbunden mit der Botschaft „macht doch damit, was ihr wollt.“ Mit dem Nexus gibt es zwar eine Art Referenz-Phone, es hat aber keinerlei bindende oder verpflichtende Bedeutung.
Die Folge davon ist, dass Android zwar den größten Marktanteil hat, es „das Android Smartphone“ aber in Wirklichkeit gar nicht gibt. Stattdessen bevölkert eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte den Markt, die zwar alle mit Android laufen, wo man aber aufgrund des völlig unterschiedlichen Look&Feel niemals auf den Gedanken käme, dass die technische Basis im Grunde dieselbe ist (was aufgrund der zahlreichen im Umlauf befindlichen Android-Versionen natürlich wiederum nur eingeschränkt richtig ist).

Back to Topic please!
Worum ging es gleich? Ach so ja, Windows Phone, ich bin schon wieder abgedriftet. Ende 2010 hat Microsoft das betagte Windows Mobile in Rente geschickt und ist mit Windows Phone angetreten, im Smartphone-Bereich Fuß zu fassen. Bisher mit recht bescheidenem Erfolg, aber so langsam kommt Bewegung in die Sache, und nicht wenige Experten sind überzeugt, dass es in ein paar Jahren nicht mehr zwei, sondern drei „Big Player“ geben wird.

Das Modell Windows Phone unterscheidet sich ganz erheblich von den beiden anderen genannten. Microsoft baut selbst keine Smartphones, schreibt den Herstellern von Windows Phones aber genaue Spezifikationen vor, die einzuhalten sind. Wer das tut, der darf Windows Phone aufspielen – selbstverständlich nicht kostenlos, schließlich verdient Microsoft mit den Lizenzverkäufen sein Geld. Verändern dürfen die Hersteller Windows Phone nicht bzw. nur sehr begrenzt.

Wenn man sich das so anschaut, könnte man sich spontan fragen, warum sich ein Hersteller überhaupt mit Windows Phone beschäftigen sollte. Die Antwort ist naheliegend: Weil es relativ einfach ist. Man konstruiert anhand der „Bauanleitung“ von Microsoft ein Gerät, spielt das System auf – und fertig ist das Windows Phone. Fehlt nur noch der Kunde, der es kauft.
Und wie der fehlt…

Warum verkauft sich Windows Phone so schlecht?
Warum sich bisher so wenige Kunden für Windows Phone entschieden haben? Ich weiß es nicht, ich kann es mir als zufriedener Besitzer eines Windows Phone auch gar nicht erklären. Ein Grund könnte die mangelnde Werbung dafür sein. Bisher hat eigentlich nur Nokia so richtig für seine Lumias getrommelt, die anderen Hersteller wie HTC, LG oder Samsung hielten die Geräte fast geheim – als würden sie sich dafür schämen.

Wahrscheinlich fehlte es ihnen einfach nur an der passenden Idee, wie sie ihre Geräte denn bewerben sollen. „Kaufen Sie das neue HTC Titan, denn es sieht genau so aus wie alle anderen Windows Phones!“ Hm, nicht wirklich überzeugend.

Nachdem Nokia mit seinen Lumias zwar noch keinen nennenswerten Marktanteil, aber immerhin einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, wird es für die anderen Hersteller noch schwerer. Wer jetzt ein Windows Phone in einem Werbespot zeigt, dem wird der Kunde möglicherweise sagen: „Ey, das ist ja voll von Nokia abgekupfert!“.

Und die Lösung?
Und damit sind wir wieder bei dem weiter oben angesprochenen Zustand: Der Kunde möchte ein cooles Gerät kaufen, also muss der Hersteller in der Lage sein, ihm ein solches auch anzubieten. Das geht teilweise über die äußere Hülle, wie uns Nokia mit den schicken Lumias vorgemacht hat – aber das A und O ist halt die Oberfläche.

HTC hat sich mit der Anfrage, sein HTC Sense auf Windows Phone zu bringen, bereits frühzeitig einen Korb geholt. Aktuell versucht es wohl Lenovo, die Aussichten dürften jedoch ebenfalls schlecht sein.

Damit ein Hersteller richtig Geld für eine Werbekampagne locker macht, muss er sich mit seinem Gerät auch selbst identifizieren können. Das fällt schwer, wenn alle Windows Phones gleich aussehen. Sollte Microsoft seine bisherige Haltung aufgeben und den Herstellern freie Hand lassen? Wenn es letztlich zum Erfolg führt, heiligt der Zweck die Mittel, aber das wird natürlich nicht passieren. Dennoch bin ich der Meinung, dass Microsoft sich bewegen muss – und zwar auf die Hersteller zu, damit diese in der Lage sind, Geräte zu entwickeln, die sie selbst lieben – und die Kunden auch.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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