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Meinung: Opera, seine Entwicklung und warum ich besorgt bin…

Meinung: Opera, seine Entwicklung und warum ich besorgt bin...

Neben dem Internet Explorer ist Opera so ziemlich der älteste Browser, der noch in aktiver Entwicklung ist und weiter mit neuen Funktionen versorgt wird. War er anfangs noch kostenpflichtig und mit seiner eigenen Rendering-Engine Presto unterwegs, haben sich die Zeiten hier allerdings grundlegend gewandelt. Als Basis dient heute Chromium, die Bezahlschranke ist schon lange Geschichte und auch bei den Eigentümern hat es entscheidende Veränderungen gegeben.

In der vergangenen Woche hatte ich auf DrWindows bereits einen Beitrag über den kommenden Microsoft Edge veröffentlicht und dabei auch geschrieben, dass einer der Hauptgründe dafür, dass in meine Browserauswahl wieder Bewegung kommt, auch die Entwicklungen bei Opera sind. Eine der Fragen, die mir auch bei uns im Forum schon mal gestellt wurde, war: Warum bin ich wegen Opera eigentlich so besorgt? Zeit also, in diesem Beitrag mal darüber zu sprechen und euch zu zeigen, weswegen mich Opera schon seit einiger Zeit nachdenklich stimmt.

Opera heute

Mitte 2016 kam es bei Opera zu großen Veränderungen bei den Eigentumsverhältnissen. Damals hat der amtierende CEO von Opera Software, Lars Boilesen, den Verkauf der bekannten Consumer-Abteilung, zu der auch der namensgebende Browser gehört, an ein chinesisches Konsortium durchgesetzt, zu dem neben zwei Investmentfonds auch das Sicherheitsunternehmen Qihoo 360 und der auf Mobile Games spezialisierte Publisher Beijing Kunlun Tech gehörten. Während dieser Teil unter dem alten Namen weiter firmiert, bekam das alte Restunternehmen einen neuen Namen: Otello. Diesem steht auch Lars Boilesen weiter vor, die Leitung der verkauften Sparte wurde Ende 2016 an die neuen Eigentümer übertragen.

Ich habe schon länger darüber gerätselt, wer bei Opera seitdem die Fäden in der Hand hält und die Geschicke des Unternehmens leitet, zumal sich Opera selbst auf seinen eigenen Seiten darüber mehr oder weniger ausschweigt. Letztlich brachte der Eintrag im norwegischen Zentralregister dann nach etwas Recherche die Antwort. Aktueller Chef von Opera ist demnach Yahui Zhou, dem auch Beijing Kunlun Tech gehört, außerdem sitzt neben lokalen Vertretern mit Hongyi Zhou auch der CEO und Gründer von Qihoo 360 in der Unternehmensführung. Unterm Strich hat das heutige Opera, den Namen mal ausgenommen, mit dem alten also nicht mehr viel zu tun und Qihoo 360 und Kunlun teilen sich die Leitung mehr oder weniger auf. Genau hier setzen meine Sorgen an.

Qihoo 360

Von beiden Unternehmen ist Qihoo 360 aufgrund seiner Antivirus-Produkte sicherlich das bekanntere, zumal dessen Sicherheitsforscher auch immer wieder mal bei aufgedeckten Sicherheitslücken in Erscheinung treten. Gleichzeitig sorgten seine Töchter in der Vergangenheit aber auch für einen größeren Vorfall beim Umgang mit Verschlüsselungszertifikaten. Im September 2016 wurde durch eine Untersuchung von Mozilla bekannt, dass die beiden Certification Authorities WoSign und Startcom (StartSSL) beim Umgang mit entsprechenden Zertifikaten betrogen haben und WoSign unter anderem ein unberechtigtes Zertifikat für GitHub ausgestellt hat. In der Folge haben neben Mozilla auch Apple, Google und Microsoft hart durchgegriffen und den Zertifikaten beider Stellen das Vertrauen entzogen. Qihoo 360 griff zwar nachträglich ein, am Ende hat vor allem Startcom das Ganze aber nicht überlebt und musste aufgeben. Zudem verwendeten beide Stellen immer noch den schon damals unsicheren Hashalgorithmus sha-1, mittlerweile sind sha-2 oder sha256 üblich. Ein ausführliches Dokument zu dem ganzen Thema findet ihr hier.

Abseits davon ist Opera aber nicht das erste Engagement von Qihoo 360 im Bereich der Webbrowser. Bereits seit einigen Jahren bot man den eigenen Qihoo 360 Browser an, der gerade in China eine gewisse Popularität haben soll. Allerdings gab es zu diesem Browser auch immer mal wieder negative Berichte, nach denen Qihoo hier nicht ganz saubere Taktiken eingesetzt haben soll. In Deutschland hat – soweit mir bekannt ist – leider (ausgerechnet) nur CHIP das Ganze mal in einer Fußnote aufgegriffen. Ich will es daher nochmal klar sagen: Ich hatte diesen Browser nie installiert, von daher kann ich die Berichte weder bestätigen noch verneinen. Sollte das allerdings stimmen – und spätestens seit WoSign und Startcom bin ich gegenüber Qihoo 360 sowieso sehr reserviert-, kann man nicht ausschließen, in welche Richtung es bei Opera gehen würde.

Grindr

Auch Kunlun Tech geriet in der jüngeren Vergangenheit aufgrund eines Vorfalls mit Nutzerdaten in die Schlagzeilen, die sich eine andere, sehr bekannte Tochter des Unternehmens geleistet hat. Die Dating-App Grindr ist vor allem bei homo- und bisexuellen Männern extrem beliebt und entsprechend geht es hier im Ernstfall um sensibelste Daten, die seine Nutzer über sich preisgeben. Nachdem Grindr bereits im September 2014 schon einmal auffällig wurde, folgte im April 2018 der nächste Vorfall. Forscher der schwedischen Non-Profit-Organisation SINTEF haben herausgefunden, dass Grindr unter anderem Daten zum HIV-Status an die beiden Fremdfirmen Apptimize und Localytics weitergegeben hat. Zuerst hatte CNN damals darüber berichtet. Hintergrund war damals auch eine neue Funktion, mit der Grindr an regelmäßige HIV-Tests erinnern wollte.

Den letzten Akt in dieser Geschichte gab es dabei erst im Mai 2019. Kunlun Tech, welches Grindr 2016 für 93 Millionen USD erst mehrheitlich und 2018 dann ganz übernommen hatte, wurde dabei nachträglich die Zustimmung der Übernahme durch den US-Ausschuss zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen entzogen. Eigentlich hätte Grindr – ähnlich wie Opera, deren Aktien mittlerweile im NASDAQ gehandelt werden – an die Börse gebracht werden sollen, nun muss die App bis Juni 2020 verkauft werden. Näheres dazu haben unter anderem die Kollegen von Heise in einem Artikel geschrieben.

Der Blick auf Opera

Letztlich zeigen die genannten Beispiele, dass gerade die Tochterunternehmen der beiden führenden Unternehmen von Opera für relevante Vorfälle gut waren. Sicherlich kann man darüber reden, dass man im Falle von Grindr zum Beispiel mindestens so vorsichtig wie bei Facebook sein muss, wenn man persönliche Daten von sich preisgibt (erst recht bei einer Dating-App), aber es geht am Ende auch darum, wie die Mutterunternehmen mit den Vorfällen umgegangen sind. In beiden Fällen mit WoSign und Startcom auf der einen und mit Grindr auf der anderen Seite war das einfach nicht gut. Alle sind/waren in ihren Branchen keine Zwerge und bei allen spielt Vertrauen die zentralste aller Rollen. Bei Grindr kann man, wie gesagt, in einem gewissen Maß über die Verantwortung der Nutzer für sich sicherlich streiten, aber nicht bei Zertifikaten, bei denen das Vertrauen bei der verschlüsselten Datenübertragung das A und O sind.

Bei Opera selbst muss man die Sache differenzierter betrachten. Das Unternehmen hat seit der Übernahme bewegte Zeiten hinter sich. Technologien wie der VPN-Proxy oder die Datenkompression (früher Opera Turbo, später vor allem noch über App Opera Max bekannt) wurden eingestellt oder stark vereinfacht, im Gegenzug brachten die bisher drei “Reborn”-Runden neue Impulse wie den Mobilbrowser Opera Touch und die Neuausrichtung auf das Web 3.0 und die Kryptowährungen. Hinzu kommt mit Opera GX mittlerweile der jüngste Vertreter der Browser-Familie, der sich gezielt an Gamer richten soll. Opera bewegt sich also irgendwo zwischen dezidiertem Gaming-Fokus und einer Zukunft als kommender Crypto-Browser mit alltagstauglichen Zusatzfeatures – eine klare Kampfansage an Brave, der bisher diese Nische besetzt.

Eigentlich ist es ein Dilemma. Man kann nicht abstreiten, dass die Entwickler in weiten Punkten eigentlich einen fantastischen Job gemacht haben und mit Features wie der Momentaufnahme, dem Video-Popout, Your Flow oder der Sofortsuche einige clevere Ideen in den Browser eingeflossen sind. Opera gehört zu den besten Chromium-basierten Browsern am Markt. Andererseits: Wer garantiert mir, dass seine Mutterunternehmen aus den Debakeln ihrer anderen Töchter gelernt haben? Niemand kann das. WoSign und Startcom waren nicht klein, Grindr ist auch kein kleiner Fisch und über Opera kann man das Gleiche bei den Browsern sagen. Das spiegelt sich nicht unbedingt in seinen Marktanteilen wieder, aber doch in seiner lange Geschichte und seiner (z.T. ehemals) treuen Community.

Schlusswort

Vielleicht versteht ihr jetzt etwas besser, warum mir die Entwicklungen bei Opera gewisse Magenschmerzen bereiten und warum es mir gerade deswegen so wichtig ist, dass Vivaldi weiter verbessert wird, die Entwicklung bei Mozilla weitergeht und vor allem Microsoft mit dem kommenden Edge-Browser etwas vorlegt, das – für mich – Opera im Ernstfall ablösen kann. Ich möchte Opera dabei nichts andichten und ich würde mir auch wünschen, dass sie weiter eine gute Alternative für den Browsermarkt anbieten werden. Gleichzeitig wäre ich aber nicht bereit, mich nochmal auf eine Überraschung einzustellen, wie sie in der Vergangenheit mit WoSign, Startcom und Grindr zu Tage getreten sind. Aus diesem Grund arbeite ich für mich auch zumindest an einem Plan B, damit Opera hier dann abgelöst werden kann.

Zum jetzigen Zeitpunkt fällt es mir auch schwer, eine klare Aussage zu treffen, ob man Opera weiterhin einsetzen sollte oder nicht. Ich habe da zwar eine persönliche Tendenz, aber für mich auch noch keine klare Antwort gefunden, die in eine endgültige Entscheidung münden würde. Für mich steht nur fest, dass mir einige Entwicklungen wie die deutlich in die länge gezogenen Releases (ich schrieb im anderen Beitrag darüber) nicht gefallen und dass ich den neuen Eigentümern gegenüber sehr skeptisch bin.

Denn eines ist klar: Wenn ich 600 Millionen USD investiere und die eigene Tochter noch an die Börse bringe, will ich irgendwann auch, dass das Geld irgendwann stabil und konstant zurückfließt. Für seine Nutzer sind die Produkte von Opera kostenlos. Wie die Investitionen abseits von üblichen Methoden wie den Suchmaschinen und Advertising also wieder reingeholt werden und ob die Entwicklungen zum Beispiel rund um das Web 3.0 und der Handel mit Kryptowährungen da eine Rolle spielen werden, wird die spannende Frage der Zukunft sein.

 

Über den Autor

Kevin Kozuszek

Kevin Kozuszek

Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.

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