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Das papierlose Büro – wie eine jahrzehntealte Vision endlich Realität werden kann

Ich bin 1987 mit dem Beginn meiner Ausbildung bei Daimler ins Berufsleben eingestiegen, das ist schon ein paar Tage her. EDV gab es in den Büros damals auch schon, allerdings meist in Form von Großrechner-Terminals, die sich regelmäßig mal eine Auszeit nahmen. Das dominierende Medium in den Büros war Papier, und wir scherzten: Wenn Archäologen eines Tages dieses Werk ausgraben, werden sie dokumentieren: Hier stand einst eine Papierfabrik mit einem übertrieben großen Fuhrpark.

Ich glaube, es war noch Ende der 80er, spätestens aber Anfang der 90er Jahre, als ich zum ersten mal die Floskel vom papierlosen Büro gehört habe. Man muss sich vergegenwärtigen, dass man “damals” (verflixt, bin ich echt schon so alt?) noch Kurzmitteilungen via Hauspost verschickte, dafür gab es einen schicken Vordruck. Das erste elektronische Kommunikationsmittel hieß “Memo”, lief auf dem IBM Mainframe und war eine enorme Erleichterung, obwohl es gefühlte 14 Mal am Tag ausfiel. Es bekam allerdings nicht jeder Mitarbeiter. Man musste gegenüber dem Vorgesetzten begründen, wofür man das braucht, denn die monatlichen Kosten für einen Account waren teurer als ein Kurzmitteilungs-Block mit 100 Vordrucken zum abreißen.

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2016. Viel Zeit ist vergangen, das papierlose Büro ist aber noch immer ein heißes Thema. Weil es nämlich nach wie vor nicht existiert. Viele technische Hilfsmittel haben wir inzwischen an die Hand bekommen, und in vielen Bereichen braucht man heute tatsächlich kein Papier mehr, aber ausgerottet ist es noch lange nicht. Und das liegt nicht nur an notorischen E-Mail-Ausdruckern.

Gründe, warum die Vision bis heute nicht vollständig umgesetzt wurde, gibt es reichlich. Einer davon ist sicherlich der, dass Papier für viele Menschen nach wie vor einfach verbindlicher ist. Man kann die Information anfassen, mit sich herum tragen, darauf herumkritzeln, es vermeintlich sicher archivieren etc. Es fühlt sich einfach realer an.

Abgesehen von diesem eher menschlich und emotional geprägtem Hindernis stehen dem papierlosen Büro aber auch jede Menge technische Hürden im Weg. Wer glaubt, in der IT-Abteilung Hilfe zu finden, kehrt von dort nicht selten ernüchtert wieder zurück. Denn da wird sehr oft eher gebremst als gefördert. Sobald eine Information digital gespeichert werden soll, gibt es auf einmal unzählige Regeln zu beachten. Natürlich gibt es gesetzliche Vorgaben, nicht selten ist es aber schlichte Überregulierung, die der Innovation bzw. der Vereinfachung im Weg steht.

Ein Mitarbeiter kann sich jederzeit sensible und vertrauliche Notizen auf Papier machen, welches er mit sich herum trägt und evt. sogar in der Hosentasche vergisst, wenn er das Betriebsgelände verlässt. Der Zettel kann ihm aus der Tasche fallen, er kann ihn in der Hose vergessen, wenn er diese zur Reinigung gibt – und jeder, dem dieser Zettel in die Hände fällt, hat sofort Zugriff auf die darauf “gespeicherten” Daten. Es gibt kaum etwas unsicheres als eine Information auf Papier.

Der selbe Mitarbeiter könnte die selben Informationen auch auf seinem privaten Smartphone speichern, aber da kommt die IT um die Ecke und sagt: Geschäftliche Daten auf einem privaten Smartphone? Das geht ja sowas von gar nicht, wo bleibt denn da die Sicherheit? Mit Blick auf den obigen Absatz ziemlicher Blödsinn. Das ist kein bisschen “gefährlicher”, es ist einfach nur eine andere Form, wie und wo man Informationen ablegt.

Auch Behörden bewegen sich mit ihren Anforderungen, was die sichere Archivierung angeht, oft außerhalb dessen, was die Gesetze heute schon in digitaler Form zulassen würden. Im Zweifel für das Papier, lautet die Devise, und so müssen Informationen, die eigentlich in digitaler Form vorliegen, für die angeblich sichere Aufbewahrung ausgedruckt werden. Was für ein Schwachsinn.

Um das Thema voranzubringen, braucht es echte “Kämpfer”. Ein solcher ist Christian Ekhart, den ich vor einiger Zeit kennen lernte. Er hat mit seinem Unternehmen icomedias die Anwendung “Hybrid.Forms” entwickelt, mit der er auch recht erfolgreich unterwegs ist.

Die Idee dahinter ist nicht nur, Papier einfach zu ersetzen, sondern die digitale Handhabung auch mindestens genau so einfach zu machen und durchgängige Workflows zu schaffen. Im Hintergrund setzt Hybrid.Forms auf Sharepoint, außerdem ist es eine Universal App für Windows 10. Kunden können entweder auf Vorlagen zurückgreifen oder ihre ganz eigenen Formulare bauen, so lässt sich quasi jedes Papierformular durch ein digitales ersetzen.

Mein Lieblings-Fallbeispiel, von dem mir Christian erzählte, ist das Projekt, welches gemeinsam mit der österreichischen Polizei umgesetzt wurde. Früher haben die Beamten im Streifendienst Notizblöcke bei sich getragen, in die sie bei der Aufnahme von Unfällen oder Straftaten fleißig schrieben. Später auf dem Revier mussten diese Informationen dann noch manuell in die EDV übertragen werden, nicht selten sogar in mehrere Systeme. Jetzt geben die Polizisten die Infos in ihr Smartphone oder Tablet ein, über Schnittstellen werden die angeschlossenen Systeme versorgt – fertig. Das spart nicht nur Papier, sondern auch Arbeitszeit, und es geht natürlich auch sehr viel schneller. Außerdem muss man viel weniger Infos per Funk an die Zentrale übermitteln, denn dort sieht man die vor Ort erfassten Infos ja ebenfalls sofort.

Im Interview mit Channel 9 spricht Christian über weitere Beispiele und Möglichkeiten, die sich mit Hybrid.Forms bieten Solltet Ihr Euch unbedingt angucken. Weil das Konzept universell ist, gibt es quasi keinen Papier-Vorgang, der sich damit nicht digitalisieren ließe. Wer da weitere Infos haben möchte, kann mit icomedias gerne über deren Homepage in Kontakt treten.

Obwohl mich diese Lösung wirklich begeistert, soll dieser Beitrag aber keine Werbung für Hybrid.Forms sein. Es ist für mich lediglich ein Beispiel, welches aufzeigt: Die Zeit ist reif. Die Technologien sind da, um das papierlose Büro endlich Realität werden zu lassen. Vielleicht noch immer nicht überall, aber in ganz vielen Lebens- und Arbeitsbereichen. Man muss es wollen, und man muss es anpacken. Der Lohn ist nicht nur eingespartes Papier, sondern Informationen, die jederzeit und überall abrufbar und vor allen Dingen auch durchsuchbar sind.

Man sagt ja, jeder Mensch solle im Lauf seines Lebens ein Bäumchen pflanzen. Alternativ kann man daber auch dafür sorgen, dass ein paar Bäume stehen bleiben dürfen.

Wo habt Ihr selbst denn schon Erfolge beim Verzicht auf Papier verzeichnet, wo und woran seid Ihr gescheitert? Ich bin gespannt auf Meinungen und Erfahrungen.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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