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Windows 10 Mobile: Die Business-Strategie gibt es nicht

Im Frühjahr zog sich Microsoft-Chef Satya Nadella den Zorn vieler Windows Phone Fans zu. Da verkündete er nämlich, dass Microsofts Strategie bei Windows 10 Mobile künftig nur noch auf Business-Kunden ausgerichtet sei. Etwas mehr als ein halbes Jahr später stellt sich heraus, dass dieser Zorn nicht gerechtfertigt war. Die Business-Strategie, von der Microsoft spricht, gibt es nämlich gar nicht. Sie war lediglich eine Ausrede, um die Kapitulation auf dem Consumer-Markt nicht wie eine totale Niederlage aussehen zu lassen.

Wenn diese neue Ausrichtung wirklich ernst gemeint gewesen wäre, dann hätten die Vertriebs-Bemühungen im Business seit dieser Zeit intensiviert oder zumindest mit dem gleichen Engagement weitergeführt werden müssen. Sind sie aber nicht, sie wurden genau wie im Consumer-Bereich quasi vollständig eingestellt.

Ich habe es nie so “militant” wie manch Andere gesehen, wenn Microsoft-Mitarbeiter bei offiziellen Veranstaltungen mit einem iPhone oder einem anderen “Fremd-Phone” herum liefen, auch wenn man bisweilen den Eindruck bekam, das würde demonstrativ so gemacht. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo man sein mobiles Betriebssystem als die beste Lösung fürs Business bezeichnet, muss man das aber natürlich auch so vorleben.

Sonst passiert das, was jetzt tatsächlich eingetreten ist: Windows Phones spielen auch im Business keine Rolle mehr. Die Entscheider lesen ja auch News und sind ebenso verunsichert wie die normalen Endkunden. Sie fragen sich, ob es sich noch lohnt, in Windows Phones zu investieren. Microsoft hat nicht das Geringste getan, um diesen Zweifeln entgegenzuwirken. Die halbgaren Treue-Bekundungen mögen ausreichen, um die Hardcore-Fans noch ein wenig bei der Stange zu halten, größere Beschaffungs-Budgets werden aber auf Basis solcher Aussagen jedoch garantiert nicht geplant.

Ich weiß von drei großen deutschen Unternehmen, die noch im letzten Jahr Windows Phones in insgesamt sechsstelliger Stückzahl beschafft haben. Alle drei haben das System aus dem Portfolio gestrichen und planen auch für das kommenden Jahr keinerlei Neuanschaffungen mehr. Windows Phones sind “raus”.

Nun könnte man sagen: “Klar, was sollen sie denn auch kaufen? Es gibt ja keine Geräte mehr.” Das ist allerdings nicht richtig. Das Lumia 650 steht noch in großen Stückzahlen zur Verfügung, und auch ein Teil des Restbestandes der 950er Lumias wurde vom Endkunden-Markt abgezweigt, um die Nachfrage von Business-Kunden befriedigen zu können. Aber es will sie eben niemand mehr haben.

Anfang September hatte ich eine glaubhafte Perpektive gefordert und geschrieben: Microsoft, gib der Welt ein Zeichen!. Ich wurde damals teils hart für die angebliche Totengräber-Stimmung angegangen, aber vielleicht wird jetzt so langsam klar, warum ich so “verzweifelt” war (ist jetzt ein wenig komisch formuliert, mein Lebensglück hängt sicher nicht daran – Ihr versteht sicher, wie ich es meine).

Dadurch, dass man die Business-Kunden ebenso in der Luft hängen ließ, ist sehr viel Vertrauen verloren gegangen. Die Tatsache, dass bei den Großkunden zehntausende Lumia 630 im Einsatz sind, die kein Update auf Windows 10 Mobile erhalten und auf denen Skype bald nicht mehr funktioniert, macht es ganz gewiss nicht einfacher. Im Business-Umfeld werden viele Ding wesentlich gelassener gesehen als im Consumer-Markt, dafür ist Vertrauen und Verlässlichkeit umso wichtiger.

Wenn Microsoft im kommenden Jahr einen wie auch immer gearteten Neuanfang mit Windows 10 Mobile planen sollte, dann ist die Gruppe der Fans und Enthusiasten die einzige, auf die sie noch zählen können. Die meckern zwar jetzt am lautesten, werden aber die Ersten sein, die sich auf ein neues Gerät stürzen werden. Die Business-Kunden wird man erst überzeugen müssen, dass Microsoft ein Partner ist, mit dem man langfristig planen kann. Aufgrund der vielen Neustarts und Richtungswechsel in den letzten Jahren haben außerdem nicht wenige Geschäftskunden die Nase inzwischen einfach voll – die muss man erst mal wieder soweit bringen, dass sie sich überhaupt anhören, was man zu bieten hat.

Dafür braucht man eine gute Business-Strategie. Im Moment hat man keine.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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