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Gedanken zu Windows 10X und zum Streaming von Windows-Programmen aus der Cloud

Gedanken zu Windows 10X und zum Streaming von Windows-Programmen aus der Cloud

Anfang der Woche hörten wir Berichte, dass Microsoft mit Windows 10X sozusagen zu den Anfängen zurückkehrt und daraus nun ein leichtgewichtiges System ohne Win32-Unterstützung werden soll. Die Infos stammen aus durchaus verlässlichen Quellen, dennoch sind es für den Moment freilich nur Gerüchte. Man macht sich selbstverständlich dennoch Gedanken, und wenn diese Gedanken nun schon mal da sind, dann kann man sie auch gleich aufschreiben.

Der Tenor der Kommentare auf die Meldung war zusammengefasst: Hat Microsoft denn noch nicht begriffen, dass der Ansatz eines abgespeckten Windows nicht funktioniert? Waren Windows RT und der S Modus nicht genug?

In der Tat, auf den ersten Blick sieht das, was wir jetzt von Windows 10X zu wissen glauben, wie ein “RT 2.0” aus. Es werden nur Web Apps und Windows 10 Universal Apps unterstützt, Win32 Support soll gänzlich fehlen. Es fanden sich auch sofort ein paar Fanboys, die diesen Ansatz als richtig bezeichnet und mit “mehr braucht man auch nicht” verteidigt haben, was selbstverständlich Unsinn ist.

“Kein Win32-Support” ist schwer vorstellbar, schließlich ist der neue Edge Browser eine reinrassige Legacy-Applikation. Entweder entwickelt Microsoft für Windows 10X eine weitere Version des Chromium Edge ohne Win32-Komponenten, oder aber wir hätten es in der Tat mit einem “RT 2.0” zu tun. In Windows RT waren ebenfalls Legacy-Komponenten enthalten, sie waren eben nur gesperrt. Eine weitere Version des Chromium Edge ist allerdings nicht komplett abwegig, denn ich habe im Frühjahr von einem Microsoft-Mitarbeiter gehört, dass der neue Edge auf jeden Fall auch auf die Xbox kommen soll. Die logischste Variante wäre im Grunde jene, dass Windows 10X exklusiv auf ARM-Prozessoren läuft, dann müsste man nur die Win32-Emulation weglassen und Edge wäre auch schon da.

Haltet mich für naiv, aber ich bin überzeugt: Zu denken, man könne solch ein System an die breite Masse verkaufen – so doof kann Microsoft nicht sein, nicht schon wieder. Ich sehe Windows 10X daher als reines Nischensystem fürs Business (Stichwort Firstline Worker, also einfache Szenarien, in denen nur ein begrenztes Spektrum von Apps benötigt wird, oftmals sogar nur eine einzige) und den Bildungsbereich. Wenn die Zielgruppe klein bzw. klar umrissen ist, dann kann es vielleicht sogar funktionieren, erneut ein Windows auf den Markt zu bringen, welches im Grunde eigentlich keines ist.

Es steht im Zusammenhang mit Windows 10X und Win32 noch ein weiteres spannendes Thema im Raum: Nämlich das Streaming von Win32-Programmen aus der Cloud, quasi “Project xCloud fürs Büro”. Dass Microsoft an solchen Technologien arbeitet, ist kein Geheimnis, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie als Killerfeature für Windows 10X vermarktet wird.

Zum Einen, weil insbesondere Geschäftskunden in diesem Fall auch gleich auf das “richtige Windows” zurückgreifen können. Zum Anderen, weil es schwer vorstellbar ist, dass Microsoft einen solchen Dienst exklusiv für die eigene Plattform anbietet. Als Windows-Fan mag man sich das wünschen, und möglicherweise wünscht sich Windows-Chef Panos Panay das auch, weil es ein gutes Verkaufsargument für seine Produkte ist.

Das Win32-Streaming wird aber nicht in seinem Bereich entwickelt, sondern in dem von Cloud-Chef Scott Guthrie. Dessen Erfolg wird wiederum daran gemessen, wie viele Kunden er für einen Dienst gewinnt. Ein funktionierendes Streaming von Win32-Applikationen auf Windows 10X zu beschränken und es nicht auch für Android, iOS, ChromeOS, Mac und Linux anzubieten, wäre blanker Unsinn.

Plattformunabhängiges Win32-Streaming würde das Entwickeln von Windows-Programmen (wieder) sehr viel spannender machen, damit würde man die eigene Plattform stärken. Mit einer Beschränkung auf Windows 10X würde man sie dagegen schwächen.

Einen echten Reim kann ich mir unterm Strich auf Windows 10X und dessen mutmaßlich neues Konzept daher nach wie vor nicht machen. Muss ich aber auch nicht, denn noch liegen die Karten nicht auf dem Tisch. Vielleicht nehmen wir es am Ende sogar viel ernster, als Microsoft selbst das tut, und es ist einfach nur ein kleines Nebenprodukt und nicht das “next big thing”, von dem ich immer weniger glaube, dass es das für Windows überhaupt geben kann.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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