Aus meiner Sicht ist das eine etwas unfaire Ex-post-Betrachtung. Zur Zeit des Faschings bzw. Karnevals war noch nicht unbedingt abzusehen, wie schnell sich das Virus auch hier in Europa ausbreiten würde. Nachher ist man bekanntlich immer schlauer. Aber der Aufschrei über eine Absage sämtlicher Karnevals- und Faschingveranstaltungen wäre damals sicherlich extrem groß gewesen.
Wie das Interview beweist, wußten die Experten das auch schon damals und damit wußten es auch die Politiker. Entlarvt haben die sich auch schon selbst, indem mehrere zugegeben haben, daß diese Maßnahmen niemand akzeptiert hätte. Dafür werden sie aber nicht bezahlt, sondern für die Eier in der Hose, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Zumal ja gerade gar kein Wahljahr ist.
Meine Frau wollte zum Beispiel noch Mitte März mit ihren Mädels in den Skiurlaub nach Österreich fahren und wäre es sicherlich auch, wenn dann nicht kurz vorher alles zu gemacht worden wäre. Ihre Enttäuschung war entsprechend groß und sie hielt diese Maßnahme damals für überzogen.
Wenn die Ischgl-Touristen alles auf dem Gewissen haben, wird man erst hinterher erfahren. Ganz Hamburg ist inzwischen von den Rückkehrern aus den Winterferien verseucht worden.
Ich halte die bisher getroffenen Maßnahmen unserer Regierung - sowohl zur Vermeidung weitreichender Infektionen, als auch wirtschaftlich - für rechtzeitig und angemessen.
Die Maßnahmen kommen aber mindestens zwei Monate zu spät. Der werte Herr Gesundheitsminister hat erst letzte Woche ein Einreiseverbot für den Iran verfügt. Wenn der seinen Job ernst genommen hätte, hätte der darauf schon im Februar bestehen müssen. Nur weil hier in den Medien nicht darüber berichtet wurde, war die Lage dort ja nicht weniger ernst. Den Politikern war das auch schon damals bekannt, sonst hätten BND und andere Regierungsstellen ihren Job nicht gemacht.
Daß das gesamte Gesundheitswesen angefangen von der Politik bis hin zu den wirtschaftlichen Leitungen der Kliniken bei der Pandemievorsorge vollständig versagt hat, ist nicht mehr zu übersehen. Vorratshaltung überwiegend Fehlanzeige, Alternativen beim Ausfall wichtiger Medikamenten-Lieferanten nicht vorhanden, Digitalisierung bei der Meldung von Infektionskrankheiten nicht deutschlandweit. Das Register für die Meldung von Krankenhauskapazitäten insbesondere im Bereich Intensiv und Beatmung mußte erst jetzt auf Initiative einer Fachgesellschaft geschaffen werden. Das sind alles Fakten, die jeder im Gesundheitswesen Tätige außerhalb der Leitungsebenen bestätigen wird.
Auch ein Eigenlob der Politiker kann ich eigentlich nicht erkennen; zumindest nicht bei Merkel, Scholz, Spahn und Altmaier.
Die Herren sind natürlich nicht blöd und formulieren das nicht so offen. Aber wer die Interviews verfolgt, sollte das nicht übersehen. Dazu dann noch die untertänigste Hofberichterstattung diverser ARD-Anstalten und Teilen des ZDF mit den Morgenmagazinen in vorderster Front. Kritische Stimmen hört man wohlweislich in den ÖR nur im Randprogramm.
Nun ja, wieviele Menschen sterben jedes Jahr an einer Influenza? Man schaue sich dazu mal
dieses Dokument des RKI an. So extrem darüber liegt die Anzahl der aktuellen Covid-19-Todesfälle ja nun auch wieder nicht. Insofern kann man das leicht verzögerte Handeln der Regierung aus meiner Sicht durchaus nachvollziehen.
Wer jetzt immer noch mit diesem törichten Influenzavergleich kommt, hat den Schuß nicht gehört. Wie oft muß man noch sagen, daß es nicht um einen Schwanzvergleich der Viren geht, wer mehr töten kann. Es geht einzig und alleine darum, die Krankenhäuser arbeitsfähig zu halten. Nein, Covid-19 ist nicht wie Grippe. Die schweren Verläufe in der Masse gibt es so bei Grippe nicht und auch nicht diese hohen Sterblichkeitsraten.
Außerdem wenn ihr Grippevergleicher schon zu zahlen greift, dann doch bitte nicht Hochrechnungen mit Ist-Zahlen vergleichen oder vielleicht mal verstehen lernen was Exzesstodesfälle sind - dann erledigt sich auch das dämliche "Mit Corona, nicht an Corona gestorben". Nein, für Covid-19 kann man mit derartigen Vergleichszahlen nicht dienen. Man kann aber sehr wohl die Entwicklung mit und ohne Maßnahmen anhand der bekannten Eigenschaften des Virus, der Erkrankung und der Zahlen modellieren und dabei kommt eben nicht heraus, daß man ohne Maßnahmen wie bei einer normalen Grippewelle endet.