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Google adaptiert das Surface Prinzip – und Microsoft kann sich was abschauen

Google hat am gestrigen Abend seine neuen Smartphones vorgestellt. Über Details bezüglich der Hardware wollen wir hier nicht weiter reden, das war ja sowieso alles im Vorfeld schon bekannt. Es ist ohnehin etwas viel Spannenderes passiert. Der Wechsel von Nexus zu Pixel war nämlich sehr viel mehr als ein neuer Name, er steht für eine völlig neue Strategie des längst nicht mehr nur Such-Giganten aus Mountain View. Sie hat etwas mit der von Microsoft beim Surface gemeinsam, und auch die Redmonder können sich etwas davon abschauen.

Pixel – made by Google, not by HTC
Die bisherigen Nexus-Phones waren Partnerschaften. Google steuerte das pure Android bei, der auserwählte Hersteller die Hardware. Beide Seiten hatten ihre Chance zu glänzen, und der Herstelles des Geräts durfte seinen Namen auf die Rückseite schreiben, um den Status der Co-Produktion zu unterstreichen.

Das hat sich grundlegend geändert. Die Pixel Phones tragen das Google Logo auf der Rückseite, und der Slogan “made by Google” unterstreicht: Das ist unser Gerät, das haben wir uns ganz alleine ausgedacht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass HTC der Produzient dieser Geräte ist, aber sehen soll es dann doch niemand, und der Einfluss von HTC auf die Entwicklung dürfte wesentlich kleiner gewesen sein, als das bisher bei den Nexus-Geräten der Fall war.

Der mehr als selbstbewusste Preis – die 128 GB Version des Pixel XL kostet 1.009 Euro und damit rein zufällig exakt so viel wie die große Version des iPhone 7 Plus – unterstreicht eine weitere gravierende Änderung: Google will an die Spitze des Ökosystems. Die Nexus-Serie war stets ein Nebendarsteller, solide Hardware zum üblichen Preis, im Grunde aber nichts, was aus der Masse heraus ragte.

Mit dem Pixel setzt Google ein neues Signal: Hier gibt es nicht nur das pure, sondern auch das beste Android. Genau wie Microsoft mit dem Surface will Google künftig die Referenz sein, zu der die anderen Hersteller aufschauen sollen und gerne abschauen dürfen. Bezogen auf die Hardware ist das schwierig, Smartphones bieten derzeit halt nicht mehr viel Raum für Innovation.

Die steckt beim Pixel nicht in der Hard- sondern in der Software. Google Assistant, das eigentliche Highlight des Pixel, soll der Aufbruch ins AI-Zeitater werden, und darum wird das Pixel auch von Google Home flankiert. Google will weniger vormachen, wie man ein Telefon baut, sondern demonstrieren, wie man ein AI-Ökosystem hochzieht. Unklar bin ich mir noch darüber, ob Google hier eine Stärkung des Ökosystems und letztlich auch der anderen OEMs zum Ziel hat, wie das bei Microsoft und dem Surface der Fall ist, oder ob es am Ende sogar darum geht, im Hardware-Bereich so dominant zu werden, wie man es schon bei der Software ist.

Unabhängig davon kann Microsoft sich von Googles Strategie ebenfalls etwas abschauen: Google tritt beim Pixel als Hardware-Hersteller in Erscheinung, demonstriert ganz klar, dass es ihr ureigenes Gerät ist. HTC ist letztlich nur der Auftragsfertiger und Lieferant, aber sie haben etwas, was Google nicht hat: Langjährige Erfahrung mit der Entwicklung und dem Bau von Geräten, und diese Erfahrung fließt natürlich mit ein.

Nicht, dass Microsoft es dringend nötig hätte – das Surface Book und Pro 4 sind absolute Premium-Geräte, an denen es hardwareseitig nur wenig auszusetzen gibt. Aber wir wissen zu gut um die Kinderkrankheiten, mit der bisher jede Surface-Generation zu kämpfen hatte. Es waren stets einige Firmware Updates nötig, um diverse Probleme auszumerzen. Was das perfekte Zusammenspiel von Hard- und Software betrifft, könnte Microsoft durchaus etwas Nachhilfe gebrauchen. Warum sollte man also in Zukunft nicht auch ähnliche Partnerschaften eingehen und sich einen erfahrenen Hersteller ins Boot holen, wie Google es beim Pixel gemacht hat? Ein Ansatz, über den es sich nachzudenken lohnt.

Über den Autor

Martin Geuß

Martin Geuß

Ich bin Martin Geuß, und wie unschwer zu erkennen ist, fühle ich mich in der Windows-Welt zu Hause. Seit mehr als 17 Jahren lasse ich die Welt an dem teilhaben, was mir zu Windows und anderen Microsoft-Produkten durch den Kopf geht, und manchmal ist das sogar interessant. Das wichtigste Motto meiner Arbeit lautet: Von mir - für Euch!

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