Nur wie mit rechtsstaatlichen Mitteln? In Amerika spielen Facebook und Twitter gerade durch eine Art Zensur eindeutig auf der Seite der Trump-Gegner und Trump und seine Leute nutzen das in ihrer Argumentation. Zumal man gegen Dienste wie Telegram technisch kaum vorgehen könnte. Alle Maßnahmen müßten so umfassend sein, daß spätestens das Verfassungsgericht diesen die Verhältnismäßigkeit absprechen würde.
Der wichtigste Schritt wäre vor allem, dass man die Menschen aus ihren Filterblasen und Echokammern holt. Bei den wirklichen Hardlinern, die voll auf Linie mit den Verschwörungstheoretikern sind und sich in einer Scheinwelt abkapseln, wird das nicht wirken, das ist bei Corona nicht anders als beim Klimawandel. Trotzdem kann man schon mal etwas erreichen, wenn man in die Schulen geht und hier entsprechende Aufklärung leistet. Damit meine ich nicht nur Corona im Speziellen, sondern auch einfach das kleine Einmaleins der Medienkompetenz, wie wir es alle mal in der Schule gelernt haben. Das macht auch deswegen schon Sinn, weil wir auch unter den großen Massenmedien Vertreter wie Bild, Der Westen etc. haben, die mit ihren Schrottbeiträgen zusätzliches Öl ins Feuer gießen, um ihre Reichweite und Auflage anzukurbeln. In die Pressefreiheit kann man schlecht eingreifen, also muss es eine kritische Betrachtungsweise und entsprechende Recherche des Einzelnen richten.
Was die technische Seite angeht, muss man in meinen Augen vor allem die OpenSource-Community einbeziehen. Gar nicht mal wenige rechte Seiten/Instanzen machen sich quelloffene Projekte wie Mastodon zunutze, um weniger angreifbar zu sein, und die Entwickler hinter Mastodon sind damals auch in der Form gegen den rechten Twitter-Klon Gab.ai vorgegangen, indem man einen Shadowban ausgesprochen hat und deren Mastodon-Instanz im Fediverse nicht mehr auffindbar ist. Du brauchst schon den konkreten Link zur Instanz.
Nur um mal ein Beispiel für eine mögliche Strategie zu geben:
Klar ist, dass die großen Anbieter über ein entsprechendes Gesetz weiterhin verpflichtet werden müssen, gegen rechtswidrige Postings, Videos etc. vorzugehen. Damit meine ich nicht in Form von Hilfssheriffs, wie das beim bisherigen NetzDG formuliert wurde, sondern nach klaren Kriterien und Definitionen, wie sie bei uns zum Beispiel im StGB stehen. Parallel muss man sehen, dass man zentrale Akteure der FOSS-Szene im Bereich der Kommunikations- und Sozialdienste an einen Tisch bekommt und dass Projekte wie die XMPP Standards Foundation, New Vector Ltd. (Element/Matrix), Mastodon, PeerTube, LBRY und so weiter eine gemeinsame Linie fahren. Die Community hat bei Gab zwar viel gestritten, aber am Ende war eine Mehrheit für den Shadowban da. Unterm Strich haben die Projekte auch kein Interesse daran, dass radikale Kräfte ihre Technologien für sowas missbrauchen.
Man wird mit Telegram und BitChute die beiden zentralen Plattformen dieser Klientel nicht aus dem Weg räumen, aber wenn die Strategie funktioniert, muss man das auch gar nicht mehr. Wenn man es schafft, dass man ihnen bei den großen Suchmaschinen, sozialen Plattformen, Videodiensten etc. den Raum nimmt, gesetzeswidrige Seiten über den Hoster schließt und deren Domains übernimmt, und parallel auch die FOSS-Community mitzieht, bricht man ihre Reichweite. Das ist der entscheidende Punkt. Sicherlich könnte es immer noch zu Forks der FOSS-Projekte kommen und die Schwadronen würden sich sicherlich auf Telegram und BitChute zurückziehen, aber der lange Arm in die Allgemeinheit wäre ein Stück weit gebrochen und die Klientel wird geschwächt. Außerdem wird eine Überwachung durch Behörden wie die Verfassungsschutzämter dann auch wieder leichter.
Über die Verfassungskonformität muss man diskutieren, aber unser Grundgesetz kennt klare Grenzen bei Sachen wie der Meinungs-, Versammlungs-, Presse- und Lehrfreiheit, wenn die missbraucht werden oder gegen entsprechende Gesetze verstoßen. Das gilt erst recht, wenn Teile des Personenkreises Aktionen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung unternehmen oder andere gesetzeswidrige Sachen veranstalten (Kopfgelder aussetzen etc.).
Abgesehen davon kann das sowieso nur ein Teil der Maßnahmen sein. Man muss da ein ganzes Paket schnüren, wo auch Aufklärung in den Schulen, Maßnahmen für mehr Vertrauen in die klassischen Medien und Wissenschaften, bessere digitale Werkzeuge für Nutzer zum Melden bedenklicher Inhalte und mehr integriert sind. Aber grundsätzlich ist es machbar. Die Frage ist eher, ob sich unsere Politik auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen kann, wenn man die AfD einmal ausklammert.