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Microsoft und FOSS: Es ist kein Widerspruch mehr

Microsoft und FOSS: Es ist kein Widerspruch mehr

Wer meine Beiträge hier schon länger verfolgt, der wird vermutlich wissen, dass aus technischer Sicht seit jeher zwei Herzen in meiner Brust schlagen. Neben der traditionellen Verbundenheit zu Microsoft und seiner Community haben mich auch die Projekte im OpenSource-Bereich schon immer interessiert und geprägt. Besonders Mozilla hatte daran maßgeblichen Anteil und bis heute gehören Projekte wie Firefox oder Rust, die sie entweder entwickeln oder unterstützen, auch zu meinen Lieblingen in diesem Bereich.

Nachdem Martin schon einen grundsätzlichen Kommentar zur gestrigen Reportage “Das Microsoft-Dilemma” geschrieben hat, möchte ich nochmal auf einen ganz speziellen Punkt eingehen, den das Erste nach meiner Auffassung gestern völlig versemmelt hat: Microsoft und sein eigenes Engagement bei FOSS. Beide Begriffe sind nämlich schon lange kein Widerspruch mehr.

Microsoft und “die Anderen”

Eine der bemerkenswertesten Stellen in der gestrigen Reportage war, als Microsoft mit anderen Unternehmen aus der Technologiebranche verglichen wurde. Während das Unternehmen aus Redmond als der große, unbewegliche Monolith mit rein proprietärer Gesinnung dargestellt wurde, hob man im Gegenzug andere Unternehmen wie Google, Facebook oder PayPal hervor, die grundsätzlich mit OpenSource-Projekten arbeiten und deswegen in gewisser Hinsicht deutlich bessere Jobs machen. Dass besagtes Argument nicht nur grundsätzlich überholt ist, sondern es auch trotz FOSS zu weitaus größeren und mächtigeren Monopolen kommen kann, beweisen Google und Facebook bereits seit Jahren, hat im Ersten aber anscheinend niemanden interessiert.

Tatsächlich ist es so, dass Microsoft mittlerweile in vielen Bereichen sein Engagement in der FOSS-Welt deutlich ausbaut. Bekannt sind vor allem finanzielle Beteiligungen, wie sie etwa bei der Linux Foundation oder der MariaDB Foundation vorliegen, aber auch in technischer Hinsicht leistet man in Redmond wichtige Beiträge, um bestimmte Technologien zu fördern. Erwähnenswert ist hier vor allem die Arbeit an Git, wo Microsoft mit dem Git Virtual File System (GVFS) ein neues Element beigesteuert hat, um den Datenaustausch zu verbessern.

Im eigenen Haus

Aber auch in den eigenen vier Wänden ist Microsoft sehr aktiv, wovon zum Beispiel auch Microsoft Azure sehr profitiert. Mit Docker und Kubernetes sind die beiden wichtigsten Technologien in dieser Hinsicht in die eigene Business-Cloud integriert und es wurde etliche Kooperationen mit großen Linux-Distributoren wie Red Hat oder Canonical geschlossen. Von Letzteren profitiert dann auch wieder Windows 10, wo man über das Windows Subsystem for Linux entsprechende Varianten u.a. von Ubuntu und openSuse nachinstallieren kann. Außerdem bringt Microsoft bekannte Werkzeuge wie Tar und Curl ebenfalls zu Windows und experimentell lässt sich jetzt schon eine native Umsetzung von OpenSSH in Windows 10 aktivieren.

Wenn es um OpenSource-Projekte von Microsoft geht, darf außerdem natürlich ein Vorzeigeprojekt nicht unerwähnt bleiben: Visual Studio Code. Beeindruckend war hier Mitte Oktober ein Bericht, nach denen VS Code in GitHubs Jahresstatistik Octoverse 2017 das mit Abstand beliebteste Projekt auf GitHub war und fast doppelt so viele Unterstützer vorweisen konnte wie der Zweitplatzierte, Facebooks JavaScript-Framework React Native. Gleichzeitig steht er für einen Wandel in der Politik gegenüber Linux, ist er doch neben Skype, der PowerShell, ProcDump oder SQL Server eines der Produkte, dass Microsoft nativ für verschiedene Distributionen verfügbar gemacht hat.

Das Paradebeispiel .NET Foundation

Neben der Arbeit bei Microsoft selbst ist die vor einigen Jahren gegründete .NET Foundation ein zentraler Pfeiler für die Rolle von Microsoft-Technologien in der OpenSource-Welt. Überwiegend sind hier entwicklungstechnische Projekte wie .NET Core oder Roslyn verankert, aber auch allgemeinere OpenSource-Projekte wie der Open Live Writer oder das Worldwide Telescope haben hier ihre neue Heimat gefunden. Erwähnenswert ist außerdem der wöchentliche ASP.NET Community Standup, den Damien Edwards, Jon Galloway und Scott Hanselman auf dem YouTube-Kanal der .NET Foundation abhalten und über neue Entwicklungen und Projekte in der FOSS-Welt von .NET und Co. informieren.

Neben der .NET Foundation sind zudem auch noch andere Vertreter wie das Mono-Projekt oder die F# Software Foundation erwähnenswert, die auf ihre Weise zu den FOSS-Entwicklungen rund um die Microsoft-Technologien beitragen. In der Summe muss man also festhalten, dass sich Microsoft aus technischer Sicht doch sehr stark gegenüber Linux und FOSS geöffnet hat und nicht mehr dieser starre Monolith von einst ist.

Schlusswort

Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, der per Gesetz einen Bildungsauftrag hat und mit dieser Reportage ein Beispiel für guten investigativen Journalismus liefern wollte, anscheinend nicht in der Lage war, einen einzigen Tag in eine vernünftige Internetrecherche zu stecken. Dann wären ihnen die entsprechenden Punkte, die hier im Artikel genannt wurden, aufgefallen und der Vergleich mit Facebook oder PayPal hätte sich erübrigt. Unterm Strich ist dies nur ein weiterer Beleg dafür, dass sich das Erste dadurch für eine objektive Auseinandersetzung mit Microsoft, seiner Rolle in der öffentlichen Verwaltung oder gar der Datenschutzthematik disqualifiziert hat.

Klar ist: Microsofts Vormachtstellung im öffentlichen Dienst ist eine Tatsache und eine zu große Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter war in der Technik schon immer problematisch. Das gilt nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch im privaten Bereich. Was daraus ganz besonders bei Microsoft für Probleme entstehen können, habe ich in meinem Kommentar vom vergangenen Samstag ausführlich dargelegt.

Hätten die entsprechenden Stellen von der Bundesregierung bis zur kommunalen Einrichtung mehr Unabhängigkeit von Microsoft gewollt, hätten sie schon lange eine nationale Lösung haben können. Mit Manjaro und openSuse stammen zwei der absoluten Schwergewichte der Linux-Welt aus Deutschland und auch sonst erfreut sich die FOSS-Szene hierzulande mit ihren einheimischen Projekten und Unternehmen bester Gesundheit. Leider wurde das von der ARD, das kurze Interview mit Open XChange einmal ausgeklammert, ebenfalls nicht sonderlich weit angeschnitten.

Wünsche an Microsoft

Klar ist aber auch: Microsoft kann in seinem FOSS-Engagement noch deutlich mehr tun, als sie es bisher machen. Ein gutes Beispiel ist F#, welches Microsoft nach eigener Aussage einmal zur besten freien Programmiersprache machen wollte. Zumindest gefühlt wird F# jedoch gegenüber dem großen Bruder C# eher stiefmütterlich behandelt und zumindest auf gemeinnütziger Ebene wäre eine engere (oder zumindest sichtbarere) Zusammenarbeit zwischen der .NET Foundation und der F# Software Foundation wünschenswert, um der Sprache mehr Aufmerksamkeit zu gewähren.

Außerdem ist die zukünftige Rolle von Mono als freie Implementierung neben Microsofts eigenen Core-Varianten von .NET doch eher unklar bzw. zeichnet sich aktuell nicht so gut ab. Besonders klar wird das am Beispiel WebAssembly. Während das Mono-Team bereits im vergangenen August ankündigte, WebAssembly ins Visier zu nehmen, fügte Microsoft erst vergangene Woche mit Blazor Now ein weiteres Element seinem eigenen WebAssembly .NET Stack hinzu. Mehr Klarheit zur Koexistenz beider Projekte nebeneinander ist also wünschenswert.

Über den Autor

Kevin Kozuszek

Kevin Kozuszek

Seit 1999 bin ich Microsoft eng verbunden und habe in diesem Ökosystem meine digitale Heimat gefunden. Bei Dr. Windows halte ich euch seit November 2016 über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden, die Microsoft bei seinen Open Source-Projekten und der Entwicklerplattform zu berichten hat. Regelmäßige News zu Mozilla und meinem digitalen Alltag sind auch dabei.

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